Interview mit Nina Eisa, Kaufmännische Ausbilderin bei der Berliner Stadtreinigung (BSR)
Nina Eisa nahm im Jahr 2019 mit zwei Auszubildenden der BSR an der berufsübergreifenden „Zusatzqualifikation für digitale Kompetenzen“ (ZQ) teil. 2022 hat sie zusammen mit den anderen Ausbilder:innen der BSR die Transferqualifizierung erfolgreich abgeschlossen, um die ZQ bei der BSR anzubieten. In diesem Interview erzählt sie von ihren Erfahrungen bei der erstmaligen Durchführung der ZQ und macht anderen Mut dasselbe zu tun. Die ZQ wurde neben den gewerblich-technischen, kaufmännischen und IT-Auszubildenden auch Dual Studierenden aus unterschiedlichen Fachrichtungen angeboten.
Wie haben Sie die Umsetzung der ZQ bei der BSR vorbereitet?
Nina Eisa: Wir haben uns schon länger mit dem Thema beschäftigt. Wie so vieles braucht es jedoch Zeit, die wiederholte Präsenz des Themas und eine…
… klare Kommunikation, bis der Entschluss kommt sich ins konkrete Umsetzten zu begeben. Für die Umsetzung der ZQ haben wir ein gemischtes Team aus drei Ausbilder:innen gebildet– aus dem kaufmännischen und dem gewerblich-technischen Bereich. Diese Konstellation hat sich als sehr produktiv erwiesen und war für uns alle auch eine großartige Möglichkeit der eigenen Kompetenzentwicklung. Das gewonnene Knowhow ist nun im Team breit verteilt.
Für die Umsetzung mussten wir das Rad nicht neu erfinden, sondern nutzten die Unterlagen, die wir am Ende der Transferqualifizierung von der k.o.s bekommen hatten. Das hat wunderbar funktioniert und der Aufwand für uns war sehr überschaubar.
Es gab anfangs Bedenken zur Umsetzbarkeit – bis wir über verschiedene Kanäle klar kommuniziert haben und die Kolleginnen und Kollegen nachvollziehen konnten, was die ZQ ist, wie sie abläuft und was sie möglich macht. Nach dieser Klärung hat die Idee sehr schnell Akzeptanz gefunden.
Wie wurden die Teilnehmenden für die ZQ akquiriert und was hat die Auszubildenden zur Teilnahme motiviert?
Nina Eisa: Wir als Moderationsteam haben zunächst die Kolleg:innen über die Idee, die wichtigsten organisatorischen und inhaltlichen Eckdaten der ZQ informiert. Die Auszubildenden und Dual Studierenden haben wir…
…per E-Mail über das Angebot informiert, auch die Ansprache vor Ort über die Ausbilder:innen haben wir genutzt. Nachdem die Informationen gestreut waren, haben wir eine Art digitale Sprechstunde angeboten, wo Interessierte ihre Fragen zum Vorhaben stellen konnten. Im ersten Anlauf hatten sich nicht genug Interessent:innen angemeldet, aber wir haben ein paar Monate später die gleiche Kommunikationsstrategie erneut angewendet und die war erfolgreich. Manchmal brauchen Ideen Zeit, um zu wachsen. Alle Auszubildenden sind aus Eigenmotivation zur ZQ gekommen, es gab keinen Druck zur Teilnahme von Seite des Unternehmens.
Die Motivation der Auszubildenden war unterschiedlich geprägt. Generell fanden alle das Thema Digitalisierung interessant, für manche war dieses Thema nicht präsent genug in der Ausbildung. Viele sahen die Zusammenarbeit mit Azubis bzw. Dual Studierenden aus anderen Bereichen als spannend und attraktiv an, was einen klaren Mehrwert auch aus Sicht des Unternehmens aufweist. Die Möglichkeit, ein Zertifikat zu bekommen, wurde ebenfalls als Motiv genannt. In manchen Fällen war es pure Neugierde.
Wie war der Ablauf der ZQ?
Nina Eisa: An drei Präsenz- und zwei Online-Terminen hatten die Azubis den ganzen Tag Zeit, sich der ZQ und den eigenen Bildungsprojekten zu widmen. Die Abschlusspräsentation in Präsenz diente …
…auch als Vorbereitung auf die IHK-Prüfung und war somit der sechste Termin. Für die Arbeit am Projekt waren komplette Tage vereinbart, was für Klarheit und einen guten Ablauf gesorgt hat. Zusätzlich haben die Azubis auch in ihrer Freizeit an ihren Projekten weitergearbeitet.
Die digitalen Treffen waren halbtags mit Programm gefüllt, die restliche Zeit konnten die Teilnehmenden als Selbstlernphasen oder für die Gruppenarbeit nutzen. Wir hätten das Ganze auch mit einem geringeren Zeitaufwand machen können, aber es war uns wichtig, dass die Azubis eine besondere Aufgabe übernehmen. Sie haben nämlich in Kleingruppen ihre eigenen Lerneinheiten für unsere interne Lernplattform erstellt, die sie (und die nächsten Durchläufe) als Vorbereitung auf die IHK-Prüfung nutzen können. Wir als Ausbilder:innen haben am Ende eine redaktionelle und überprüfende Rolle eingenommen und somit nur den letzten Schliff gegeben.
Woher kamen die Ideen, was für Azubi-Projekte umgesetzt werden?
Nina Eisa: Wir hatten die interessierten Azubis und Dual Studierenden gebeten im Vorfeld die Prüfungsordnung zur IHK-Prüfung zu lesen, …
…sich die Anforderungen ans Bildungsprojekt anzuschauen und zwei oder drei mögliche Ideen für ihr eigenes Projekt festzuhalten. So hatten die Azubis bereits am Anfang viele Ideen für die Bildungsprojekte mitgebracht. Manches war zu ambitioniert, so dass wir bei der Eingrenzung des Umfangs unterstützt haben.
Was hat Sie überrascht?
Nina Eisa: Dass das Projekt so gut funktioniert hat, wenn wir ehrlich sind! Für mich stand fest, ich will endlich ins Tun kommen, ich will die ZQ umsetzen – und gleichzeitig hatte ich Respekt davor. …
… Ich bin Anwenderin im Bereich IT und interessiert an dem Thema, aber weit weg davon mich als Fachexpertin für irgendein digitales Thema zu bezeichnen. Aber das ist auch nicht nötig. Ich bin ja im Grunde dafür zuständig die Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen, die Motivation und die Atmosphäre zu schaffen, damit sich die Teilnehmenden diesen Themen widmen können. Und dass sie sich trauen und auch Lust darauf haben, sich damit zu beschäftigen. Das ist mein Job an der Stelle. Und das hat wunderbar funktioniert.
Und zum anderen hat uns überrascht, dass das Feedback der Teilnehmenden so überragend positiv war. Es war auch tatsächlich so, dass eine ganz große Offenheit, eine schöne Atmosphäre herrschte, die sehr unterstützend und wertschätzend war.
Die Azubis fanden es auch gut, dass es keine langen Frontalvorträge von unserer Seite gab, sondern sie sich fast alles an fachlichen Inhalten selbst erarbeitet haben, und dass mit verschiedenen Methoden gearbeitet wurde. Bedenken, die die Azubis anfangs zum Teil hatten – ob das Wissen ausreicht, ob sie den Anforderungen genügen – diese Bedenken konnten sie relativ schnell über Bord werfen. Denn sie haben gemerkt, dass es sehr interaktiv ist, offen gestaltet und dass es hier eher um die Entwicklung von Methodenkompetenz geht. Das ist eine zentrale Einsicht gewesen – die veränderte Haltung. Das Lernen an sich ist der Schlüssel, die Bereitschaft neue Dinge zu entdecken ist eigentlich die ausschlaggebende Kompetenz.
Was planen Sie für die nächste Umsetzung der ZQ?
Nina Eisa: Die gemischten Gruppen sind ein wesentliches und sehr bereicherndes Element der ZQ, das wir auf jeden Fall so beibehalten. Das Projekt ist an sich gleichzeitig …
…eine fantastische Gelegenheit der Kompetenzentwicklung des Ausbildungspersonals. Daher haben wir uns entschlossen, dass es wie eine Art Wanderpokal weitergegeben wird. Eine Person aus dem aktuellen Team wird auch das nächste Mal dabei sein und das Knowhow unter den anderen Kolleg:innen verbreiten. Es ist eine wertvolle interne Qualifizierung für das Ausbildungspersonal. Die Möglichkeit, die ZQ zu machen, erweitert den eigenen Horizont der Ausbildenden – es bringt Querschnittsthemen mit rein, fördert Offenheit und Flexibilität in der Haltung und erhöht die Fachkompetenz.
Wir werden bei der nächsten Umsetzung der ZQ auch andere Auszubildende zur Abschlusspräsentation einladen, damit sie selbst von der Energie und dem Enthusiasmus angesteckt werden. Die Azubis vom ersten Durchlauf haben selbst vorgeschlagen als Botschafter:innen zu agieren und ihren Peers zu berichten, wie es in der ZQ war. Sie wollen das Angebot am Laufen halten, haben viele Ideen dazu und das freut uns sehr!
Demnächst kommt die ZQ auch auf unsere Homepage, weil wir uns mit diesem Angebot auch als attraktive Arbeitgeberin zeigen wollen – der Fachkräftemangel und die Herausforderung, Azubis zu gewinnen, kommen langsam auch bei uns an.
Und nach der IHK-Prüfung wollen wir auswerten, wie hilfreich die Lerneinheiten der Lernplattform gewesen sind, und ob Anpassungen notwendig sind.
Was sagen sie zu denen, die überlegen, die ZQ in ihre eigene Organisation einzuführen?
Nina Eisa: Tun Sie es! Einfach machen. Unser Motto lautet „Wir müssen nicht hart, sondern klug arbeiten.“ Diesen Ansatz finden vielleicht andere auch hilfreich. Sie können das Thema als Arbeitsauftrag rausgeben. Trauen Sie sich interaktive Methoden anzuwenden.
Mit der ZQ kann man wunderbar die digitalen schwarzen Löcher im eigenen Unternehmen auffinden – die Bildungsprojekte sind die Taschenlampe, mit der sie beleuchtet werden können, und das ist sehr spannend.
Seien Sie mutig auch selbst zuzugeben: Das weiß ich noch nicht, aber vielleicht können wir uns gemeinsam auf die Suche nach Antworten machen. Es geht darum, einen Zugang zum Thema zu finden, nicht alle Antworten im Voraus parat zu haben. Das ist womöglich eine andere Haltung als die bisherige.
Der wertvollste Tipp, den ich geben könnte, wäre fast provokativ: Verzichten Sie komplett auf Frontalvorträge, um Inhalte zu vermitteln. Trauen Sie sich die Aufgaben so zu stellen, dass die Azubis selbst sich die Inhalte erarbeiten. Ich stelle immer wieder fest, wie viel spannender und wie viel mehr Wissenserhalt und Kompetenzgewinn darin steckt, wenn sie sich selbst damit auseinandersetzen und es dann den anderen in der Gruppe vorstellen.

Wir bedanken uns bei Nina Eisa für das Gespräch. Das Interview führten Anne Röhrig und Ina Trinnes, Transferstelle Zusatzqualifikationen für digitale Kompetenzen, k.o.s GmbH.